Mach Musikhören wieder zum Hobby!

Mach Musikhören wieder zum Hobby!

Damit's nicht zur Banalität verkommt

Von  Anna Taylor
Wann hast du dich das letzte Mal wirklich hingehockt, ein Album angeschmissen und komplett und chronologisch durchgehört? Immer mehr lassen wir Musik zum trivialen Geplätscher nebenher verkommen. Und das sollte sich ändern.

Freilich hören wir viel Musik. Zum Beispiel auf dem Weg in die Arbeit/Uni/Wasauchimmer. Wir hören Musik beim Warten auf Bus/Zug/Flieger. Wir hören Musik beim Kochen/Putzen/Baden. Aber dass wir uns wirklich für ein paar Stunden hinhocken, eine Platte anschmeißen und einfach nur lauschen, scheinen wir verlernt zu haben.

Woran das liegen könnte

Mangelnde Aufmerksamkeitsspanne

Eine Studie aus 2015 zeigt, dass unsere Aufmerksamkeitsrate mittlerweile kürzer ist als die eines Goldfisches. Acht Sekunden, nämlich. Da erscheint die Länge eines durchschnittlichen Songs (circa drei Minuten) natürlich ewig. Dann ein ganzes Album anhören? Da würden sich Künstler*innen besser tun, wenn sie eine Stunde Klangmaterial in 450 achtsekündigen Tracks verpacken würden.

Keine Zeit

Jaja, wir sind alle schon arg beschäftigt, um ein tolles, ausgewogenes Leben zu haben. Bloß genug schlafen, ja genug Sport machen, Yoga in jede freie Minute stopfen und nach der Arbeit muss man dringend socializen. Da bleibt einfach keine Zeit, sich einfach mal ganz normal zu entspannen und ein blödes Album durchzuhören. Höchstens einmal jeden Song kurz durchskippen, das geht...

Zu viel Angebot

Wir sind schon sehr arm dran. Mittlerweile gibt es von jedem Entertainment so viel Angebot, dass man sich gar nicht mehr entscheiden kann. Zu viele Künstler*innen machen einfach zu viel Musik. Da ist man quasi gezwungen, von einem Song direkt zum nächsten zu springen...

Nur noch Einheitsbrei

Klar, bei dem ein oder anderen Künstler*innen oder Band klingt das ganze Album wie ein und derselbe Track - damit ist es also eher so semispaßig, durchschnittlich elf gleich klingende Songs hintereinander zu hören. Das wollen wir aber eher weniger den egoFM Musiker*innenn vorwerfen, sondern er den Vertretern des aktuellen Mainstream-Pop-Trap-Breis. Und überhaupt ist man als Hörer*in davon verschont - immerhin kannst du dir ja selbst aussuchen, welche Künstler*innen du hörst und den Mainstream getrost ignorieren. Deswegen wirkt dieses Argument vielmehr wie eine einfache Ausrede.

Das Hörverhalten hat sich generell verändert

Durch die vermeintliche Weltherrschaft von Streaming-Anbietern scheint das Konzept "Album" einfach nicht mehr zeitgemäß zu sein. Viel mehr nimmt Otto Normalhörer bequem Tipps an, die Spotify und Konsorten in wöchentliche Mixe packen - ohne nachzuforschen, ob es vielleicht noch liebenswürdigere Songs auf dem Album gibt. Wie man das herausfindet? Eben: das komplette Album einmal anhören.

Der Meinung, dass sich Alben durch das neue Hörverhalten einfach nicht mehr lohnen, beziehungsweise diese weniger Sinn machen, sind übrigens auch die Köpfe hinter dem deutschen Label Chimperator, unter dem Künstler*innen wie Cro, Teesy und Tua veröffentlichen. Deswegen haben die sich mal was neues überlegt: einfach keine Alben mehr raushauen, sondern immer nur einzelne Tracks. Diese wiederum landen dann in einer Playlist, die letztlich quasi das Album ist. Dabei können bereits veröffentlichte Songs aber durchaus nochmal rausfallen - so könne der Verbrauche den Arbeitsprozess erkennen.
Irgendwie schade wenn man bedenkt, dass so viele Perlen, die als einzelne Single nicht funktionieren würden, sondern viel mehr als Bindeglieder der Albumstracks fungieren, wegfallen würden.

Warum wir Alben wieder öfter komplett und chronologisch hören sollten

#01 Das Konzept des Albums verstehen

Ist ja kein Geheimnis, dass sich Künstler*innen schon was bei ihren Alben denken, gerade was Struktur angeht. Jeder Song hat auf der Tracklist seinen sinnvollen Platz, manche Künstler*innen lassen die einzelnen Tracks sogar ineinander überfließen, dass sich das Werk wie ein Mixtape anhört. Dem zollen wir nur Respekt, wenn wir dem Leitfaden (der Tracklist) folgen. Das gleiche gilt nicht nur für den Klang, sondern auch oft die Geschichten der Songs, die aufeinander aufbauen.

#02 Einfach mal abschalten

Es ist nur hektisch, wenn wir es hektisch sein lassen. Wir tun uns selbst was irre Gutes, wenn wir uns öfter einmal selbst entschleunigen, alles stehen und liegen lassen, um selbst einfach mal zu stehen und liegen - und einfach mal eine Stunde abschalten und einem Album zuhören.

#03 Einfach mal dranbleiben

Wir wollen es nochmal gesagt haben: Die durchschnittliche Aufmerksamkeitsrate ist schon weniger als die eines Goldfisches. Willst du ein Goldfisch sein? Nein. Sei kein Goldfisch. Und bleib einfach mal für die komplette Länge eines Albums dran.
Außerdem: Oft entwickelt sich die Meinung über einen Song. Je öfter man ihn hört, desto mehr mag man ihn.

#04 Musik als Wunderheilmittel für quasi alles

Wir hatten schon mal zehn Probleme vorgestellt, die Musik lösen kann. Davon kannst du natürlich perfekt profitieren, wenn du öfter intensiver hören würdest. Zum Beispiel richtig high werden oder billigen Wein mehr genießen.

#05 Die Hidden-Tracks-Perlen

Damals schmiss man die Platte an und ließ sie einfach durchlaufen. Wenn der Klang dann verstummt ist, stand man auf und machte erstmal Krimskrams - bis dann plötzlich doch wieder was kam. Der Hidden-Track. Wie blöd hat man sich über die kleine Überraschung gefreut.

Und überhaupt...

egoFM Hörerin Anne sagte uns zur ganzen Thematik mal:

"Ich finde gerade im Alternative/ Soul / Funk / HipHop Bereich sind Alben extrem wichtig. Da sie eine Band in ihrer aktuellen Entwicklungsphase widerspiegeln. Sie sind wie die Seele der Band, die durch einen einzelnen Song niemals rübergebracht werden könnte. Mit jedem Hören eines Albums erschließt sich einem ja mehr das Kunstwerk an sich. Und was gibt es Schöneres, als sich das neue Album der Lieblingsband zu kaufen (egal ob als LP, CD oder Download, Hauptsache komplett), auf das man teilweise jahrelang warten musste und es sich dann mehrmals hintereinander anzuhören."

Der Meinung, Alben komplett zuhören zu sollen, sind nicht nur wir

Michael Kiwanuka zum Beispiel hat mit seinem Album Love & Hate bewusst ein paar längere Tracks komponiert: zwei Songs sind über sieben Minuten, einer sogar an die zehn Minuten lang. Erinnert an Übersetzt heißt das so viel wie:

"Leute, nehmt euch eine Flasche Wein, hockt euch hin und nehmt euch für die Platte Zeit".

Die Glass Animals wiederum unterstützen nicht nur das lange, sondern ewige Musikhören. Auf der Vinyl-Version von How To Be A Human Being befindet sich nach dem letzten Track "Agnes" nämlich eine Endlosrille.

Aber: Wie geht das denn nun?

Solltest du nun dahocken und alles hier geschriebene nachvollziehen können, dich aber schlichtweg fragen: "Ja, egoFM, das ist toll! Aber wie genau macht man dieses "M u s i k h ö  r e n" denn zum Hobby?" Dann haben wir zwei prima Anleitungen dazu gefunden (ja, die gibt es tatsächlich).
  • HIER zum Beispiel, wie man sich mit Vinyls anfreundet
  • DORT, wie man zum Audiophilen wird

Allerdings...

...ginge das auch ganz einfach, dass du die wahnsinnig lange Anleitung dazu, wie das denn nun genau mit dem Musikhören funktioniert, getrost ignorieren kannst. Alles, was du dazu brauchst, sind - Obacht, das könnte dich jetzt umhauen - Albenvorschläge. Und die haben wir en masse.

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