Die schwierige Situation queerer Geflüchteter

Die schwierige Situation queerer Geflüchteter

Wenn man seine Sexualität beweisen muss

Für den Asylantrag müssen queere Geflüchtete ihre Sexualität beweisen. Nicht nur das finden viele problematisch.


Jetzt beweis erstmal, dass du wirklich queer bist!

Klingt seltsam, ist aber tatsächlich eine Forderung an queere Menschen, die nach Deutschland fliehen. Wenn Geflüchtete einen Asylantrag stellen, müssen sie für ein Interview zum BAMF, dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Dort müssen sie dann auch beweisen, dass sie auch wirklich queer sind. Denn ihre Sexualität ist oft der Grund, warum sie aus ihrer Heimat geflohen sind.

Bei Homosexualität droht die Todesstrafe

Julia Serdarov arbeitet als Geflüchtetenberaterin bei LeTRa, der Lesbenberatungsstelle in München. Sie erzählt, dass von 619 Klient*innen (Stand Ende November 2024) 80 Prozent aus Uganda kommen. In Uganda wurde letztes Jahr der Anti Homoesexuality Act verschärft. Es ist ein Gesetz, dass homosexuelle Menschen bestraft, im schlimmsten Fall mit der Todesstrafe. Und nicht nur sie, sondern auch alle, die sie unterstützen, ob Freund*innen oder Vermieter*innen.

Wenn diese Menschen dann nach Deutschland kommen und einen Antrag auf Asyl stellen, müssen sie sich der Anhörungssituation im BAMF, beziehungsweise im Verwaltungsgericht, falls ihr Antrag im BAMF abgelehnt wurde, unterziehen. Dort geht es eben dann darum, seine Sexualität zu beweisen. Anstatt wie es sonst in der Justiz heißt "im Zweifel für die Angeklagten", liegt die Beweispflicht also bei den Antragssteller*innen.

"Das Bundesamt erwartet da eine bestimmte Art von Narration, von chronologischer Narration mit Jahreszahlen gespickt, aber auch mit sehr vielen Reflexionen über innere Prozesse, Reflexionen über Emotionen, da geht's teilweise um Dinge, die jahrzehntelang her sind. Das sind Erwartungen, die die meisten unserer Klient*innen einfach nicht erfüllen können." - Julia Serdarov
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Aufgrund von Schnellverfahren finden diese Interviews oft schon recht bald nach Ankunft in Deutschland statt.

Das ist neben den Beweisen ein weiteres Problem für viele, meint Julia. Und die Situation sei oft sehr hierarchisch.

"Sie müssen ihre Zweitsprache sprechen, sie bekommen oft die Dolmetscherin oder Dolmetscher, die sie anfragen, unsere Klientinnen sind ja eben viele Frauen, cis Frauen, werden meist von Männern angehört [...] und ich glaube für einige Menschen ist das in Ordnung anzukommen, relativ schnell danach die Anhörung zu haben [...] aber einige bräuchten einfach viel viel mehr Zeit." - Julia Serdarov


 "Ich würde eher mein Leben beenden, als zurück nach Uganda zu gehen"

Dieser Satz kommt von Ronnaldss Washington Ckheumbe. In seiner Heimat Uganda wurde er wegen seiner Sexualität verhaftet und angeschossen und ist deshalb vor zwei Jahren nach Deutschland geflohen. Auch er hat Antrag auf Asyl gestellt, wurde beim BAMF aber abgelehnt, weil man ihm nicht geglaubt hat, dass er schwul ist. Von der Zeit in Uganda und der Ablehnung hat er Traumata und Depressionen entwickelt und ist momentan in einer psychiatrischen Klinik in Behandlung. Er würde sich wünschen, dass ebenfalls queere Menschen die Anhörung machen. Oder eben einfach nur Verständnis zeigen.

"Let them really try to understand us, let them try to understand our emotions. Sometimes we are traumatized and sometimes we are depressed. So we would really love it when the interviewer would try to relate with us, would like to understand us deeply." - Ronnaldss Washington Ckheumbe


Asylrecht laut Grundgesetz

Es ist schwer für queere Geflüchtete. Auch, weil es nur wenige LGBTQIA+ freundliche Einrichtungen und somit geschützte Räume gibt, in denen sie unterkommen können. Viele erleben selbst in ihren Flüchtlingsunterkünften noch täglich Queerfeindlichkeit. An der Anhörungssituation müsste sich auch einiges ändern, appellieren die queeren Beratungsstellen SUB und LeTRa. Alles, was sie machen können: immer wieder auf die Missstände hinzuweisen und an die Politik zu appellieren. Denn laut dem Grundgesetz genießen politisch Verfolgte Asylrecht. In der Umsetzung klappt das allerdings bisher nicht.

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