Mit eigenen Bräuchen Weihnachten ertragen

Mit eigenen Bräuchen Weihnachten ertragen

aka: Die Rückkehr der Vogelmenschen

Von  Anna Taylor
Unsere Autorin erfindet lieber eine neue Religion, als sich dem Weihnachtswahnsinn kampflos zu ergeben. Hier erfährst du alles über die Rückkehr der Vogelmenschen.

Ich hasse Weihnachten

Ich hasse Weihnachten so sehr, dass ich am liebsten gar nichts davon mitbekommen würde. Einfach vom 1. November bis 6. Januar hinterm Mond leben - ohne WLAN. Das wäre mein Traum. Geht aber halt leider nicht, irgendwer ist ja immer enttäuscht, wenn man sich Heiligabend nicht blicken lässt und außerdem (jetzt mal unter uns): Ich will für so lange Zeit gar nicht ohne WLAN leben. Also hieß es bisher immer: einfach ertragen. Und bestmöglich die ganze Kacke ignorieren. Und damit meine ich vor allem Leute, die plötzlich einen auf Weltfrieden und Nächstenliebe tun und dabei auch noch scheinheilige Lieder singen.

Jetzt gibt es nur ein Problem: Ich habe ein Kind

Ein Kind, das verrückt nach Lichterketten, Glitzer, Engeln und geschmückten Tannen ist. Und natürlich nach Geschenken. Also habe ich eigentlich keine Wahl - ich muss mitspielen. Gut, aber dann wenigstens nach meinen eigenen Regeln.

Anhand der Stichwörter Lichter, Glitzer, Plätzchen, Musik und Bäume habe ich einfach einen eigenen Glauben erfunden. Nämlich einen an die Vogelmenschen - so kann ich nämlich auch Engel meinem Kind erklären, ohne ihm was Religiöses auftischen zu müssen.

Meine erfundene Religion: Die Rückkehr der Vogelmenschen

Es folgen die FAQ zu meiner Religion...

Was ist die Geschichte hinter meinem Weihnachtsfest?

Einst lebten Menschenaffen und Vogelmenschen friedlich miteinander. Doch während die Vogelmenschen ihre Erfüllung besonders in einem empathischen Miteinander, in Achtsamkeit und den schönen Künsten (Trompete und Harfe spielen zum Beispiel) fanden, waren die Menschenaffen rastlos und eher davon besessen, immer mehr zu wollen. The Grind war real. Ein Stein als Werkzeug, um an Nahrung zu kommen, war so zum Beispiel nicht genug. Bald wurde ein Motor erfunden, der den ganzen Vorgang automatisierte, um mit weniger Muskelschmalz noch mehr Futter gewinnen zu können.

"Ja super! Wenn das geht, warum dann nicht noch mehr elektrische Geräte erfinden?", dachten sich die Menschenaffen. Fortan erfanden sie also Zeug, das ihnen das Leben einerseits leichter, andererseits aber auch komplizierter machte. So waren sie gefangen in einem Teufelskreis, denn neue Lösungen verursachten stetig neue Probleme.

Die Menschenaffen waren so fokussiert darauf, ihr eigenes Leben zu erleichtern, dass sie gar nicht merkten, wie die sensiblen Vogelmenschen darunter litten. Das grelle Licht der Geräte raubte ihnen den Schlaf in der Nacht. Der Lärm schadete ihrem Orientierungssinn. Die Abgase der Motoren verpestete die Luft, in der sie flogen. Und überhaupt mussten haufenweise Bäume gefällt werden, um an Brennholz zu gelangen. Bevor die Vogelmenschen am Egoismus der Menschenaffen zugrunde gingen, mussten sie sich retten - und von der Erde fliehen.

Erst als die Menschenaffen merkten, dass es neben dem Lärm und Surren ihrer Geräte ganz still war - kein Gesang, keine Trompeten oder Harfenmelodien - wurde ihnen klar, was passiert war. Sie hatten die Bedürfnisse ihrer Freund*innen ignoriert und hatten nur auf sich selbst geachtet. Doch dann war es auch schon viel zu spät, um zu reagieren (ehrlich gesagt haben ein paar der jüngeren Menschenaffen, die noch nicht so in diesem Konsumrad steckten, das schon gemerkt und versucht, die Älteren zu warnen, aber wer hört schon auf das Gejammer der Jüngeren, oder (...)).

Auf jeden Fall waren die Menschenaffen dann furchtbar traurig und haben sich überlegt, wie sie die Vogelmenschen als Freund*innen zurückgewinnen können.

Was wird bei dieser Version von Weihnachten gefeiert?

Um den Vogelmenschen also zu zeigen, dass sie sich geändert haben, setzen die Menschenaffen einmal im Jahr - nämlich immer zu der Zeit, in der ihnen der Verlust ihrer Freund*innen aufgefallen ist - ein großes Zeichen und wollen beweisen, dass sie ihren Fehler erkannt haben und sich bessern wollen. So entzünden die Menschenaffen jährlich ganz viele Lichter zur Orientierung, verteilen überall Glitzer (Vögel lieben Funkelndes), singen Lieder (bevorzugt "All I Want For Christmas Is You" von Mariah Carey), backen Plätzchen und Stollen mit allerlei Körnern und Früchten und stellen Bäumchen auf, um den Vogelmenschen zu symbolisieren: Hier bist du willkommen, hier kannst du leben!

Leider haben die Menschenaffen dabei nicht berücksichtigt, dass es gerade die vielen Lichter sind, die die Vogelmenschen stören, weswegen sie wohl bis heute auch noch nicht zurückgekommen sind. Aber: Tradition ist Tradition, also was willst du machen - aus dem Grund können wir jetzt nicht einfach auf Lichter zu Weihnachten verzichten.

Warum wird das Vogelmenschenfest trotzdem auch "Weihnachten" genannt?

Sehr einfache Erklärung: Die Vogelmenschen waren / sind (?) eine Mischung aus Menschen und Weihen - einer mittelgroßen Greifvogelgattung mit schlankem Körper und sehr langen Flügeln aus der Familie der Habichtartigen. Der Singular dieser Gattung ist neben Weihe auch einfach Weih. Der Begriff Weihnachten macht also perfekten Sinn, wobei man sich bei der Schreibweise streiten könnte - Weih-Nachten ginge genauso.

Warum schenken wir uns was?

Der Sinn und Zweck von Weihnachten der Vogelmenschen ist es, auf andere zu achten und anderen eine Freude zu machen. Und was drückt diesen Gedanken mehr aus als eine neue Spielekonsole, neuer Schmuck oder ein Wellness-Gutschein? Eben: eigentlich nichts.

Wie lange dauert das Vogelmenschenfest / Weihnachten?

Im Vogelmenschen-Glauben hängen Weihnachten und Neujahr miteinander zusammen, dementsprechend dauert das Fest eine Woche lang. Aus diesem Grund gibt es auch Neujahrsvorsätze - um das eigene Handeln zu reflektieren und zu schauen, wie man sich und den Mitmenschen im folgenden Jahr das Leben leichter machen kann.

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Warum so einen Aufwand betreiben?

Vielleicht denkt sich jetzt die ein oder andere Person: "Ok Anna, ich bin auch nicht gläubig, feiere mit meiner Familie aber trotzdem Weihnachten mit Glitzer, Santa und Süßigkeiten - warum machst du das nicht auch?" Na, weil ich damit ja fast genauso ein großes Problem habe, wie mit dem Religionszeug.
Weihnachten ist die reinste Kapitalismuskacke, was ich aber tatsächlich noch weniger nervig finde (immerhin ist das ja auch Teil meiner Weihnachten). Nein, am allermeisten stört mich natürlich gerade die Tatsache, dass ein alter weißer Mann für die Arbeit gelobt wird, die hauptsächlich von Frauen geleistet wird. Außerdem hat der Weihnachtsmann mir nie meinen sehnlichsten Wunsch als Kind erfüllt (Pferd) und jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, an dem er dafür zahlen muss - ich cancel ihn!

Ja und außerdem mache ich das Ganze auch einfach weil ich es witzig finde. In diesem Sinne: Frohe Weih-Nachten! Grrrrrah! Grrrrrrrah!



Meinung dazu?

Erstmal würde mich interessieren, wie du meine erfundene Religion findest oder ob du noch Verbesserungsvorschläge hast. Dann will ich außerdem noch wissen, ob du oder ihr als Familie vielleicht auch ganz eigene Bräuche manifestiert habt? All das und was dir sonst noch so durch den Kopf geht zum Thema schreibst du am besten per Mail an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

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