Ich habe 'Tatsächlich... Liebe' gesehen und will meine zwei Stunden Lebenszeit zurück. Eine Kritik an einem der beliebtesten Weihnachtsliebesfilme überhaupt.
Warum ich Tatsächlich... Liebe so unerträglich finde
Zugegeben, mit der Erkenntnis, dass Tatsächlich… Liebe ziemlicher Schrott ist, bin ich eigentlich 20 Jahre zu spät dran. Aber an mir ging der Film leider Gottes lange vorbei... Deswegen dachte ich bis vor Kurzem, es sei ein süßer Weihnachtsliebesfilm, der es wert ist, endlich an einem kalten Dezemberabend mit Plätzchen und Tee von mir gesehen zu werden. Immerhin läuft der Film jeden Dezember seit 20 Jahren rauf und runter und ist für viele ein festes Weihnachtsritual. Und ich liebe Weihnachten. Und Romcoms. Also dachte ich, ich liebe sicher auch Tatsächlich... Liebe. Und so kam es, dass ich voller Vorfreude auf einen tollen Weihnachtsfilm zwei Stunden meines Lebens mit diesem Quatsch vergeudet und mich danach ziemlich leer, verwirrt und traurig gefühlt habe. Da geht's in erster Linie auch überhaupt nicht darum, dass der Film vielleicht an manchen Stellen schlecht gealtert ist. Denn klar, Tatsächlich... Liebe ist von 2003, mir ist völlig klar, dass das eine komplett andere Zeit war. Aber ich hab eigentlich schon ein kleines Faible für 2000er-Filme und Serien und kann da auch mal über Dinge hinwegsehen. Und trotzdem finde ich Tatsächlich... Liebe komplett scheiße und glaube, er war eben auch schon vor 20 Jahren scheiße. Dabei sei gesagt: Ich habe wirklich nicht krass hohe cineastische Ansprüche an Christmas-Romcoms.
Man könnte ja echt meinen, der Film sei süß - und er kommt anlässlich des 20-jährigen Jubiläums sogar nochmal in 4K raus:
Das zentrale Thema des Films ist angeblich Liebe
Und die soll tatsächlich überall zu finden sein, erklärt gleich am Anfang die Stimme von Hugh Grant. Ich habe die Liebe nur leider nicht entdeckt, während ich mich durch die 135 Minuten gequält habe. Stattdessen gab es jede Menge komplett weirde und wirre Storylines. Aber schauen wir uns doch einfach mal zusammen ehrlich an, worum es in den einzelnen Handlungssträngen von Tatsächlich... Liebe eigentlich geht. Und weil ich nach dem Film eigentlich keinen einzigen Namen mehr kannte und ich damit vermutlich auch nicht alleine bin, lassen wir die Namen einfach konsequent weg.- Die Kult-Schilder-Szene
- Das Ehepaar
- Der Schriftsteller und seine Haushaltshilfe
- Kollege und Kollegin
- Der Premierminister und seine Haushaltshilfe
- Zwei Körperdouble
- Ein Rockstar und sein Manager
- Stiefvater und Sohn
- Die Gaga-USA Storyline
Die Kult-Schilder-Szene
Fallen wir gleich mit der Tür ins Haus: Die romantischste aller romantischen Gesten, du weißt schon, die mit den Schildern vor der Wohnungstür, die so gerne in vielen anderen Liebesfilmen aufgegriffen wird – was ist da eigentlich los? Da steht ein Mann abends vor dem Haus seines besten Freundes und dessen Frau, bei deren Hochzeit er eben noch Trauzeuge war. Der Mann hat bisher kaum ein Wort mit der Ehefrau seines besten Freundes geredet, weil er heimlich in sie verliebt ist. Als sie das kurz nach ihrer Hochzeit herausfindet (sie sieht, dass er, als er auf der Hochzeit gefilmt hat, nur Nahaufnahmen von ihr gemacht hat und schließt daraus nicht etwa, dass er ein kompletter Creep, sondern in sie verliebt ist), stellt sich der Typ also abends vor die Haustür, klingelt und gesteht der Frau seines besten Freundes via Schildern offiziell seine Liebe.Der beste Freund bekommt von all dem nichts mit. Die Ehefrau ist komplett gerührt, rennt dem Typen nach der Schilderszene ein paar Schritte hinterher und küsst ihn flüchtig auf der Straße. Komplette Verwirrung, keine Ahnung, was das soll. Storyline beendet.
Das Ehepaar
Machen wir gleich weiter mit der Storyline, die mich am allermeisten deprimiert hat: da gibt es ein Ehepaar mittleren Alters mit zwei Kindern. Der Mann ist gelangweilt und genervt von seiner Frau, die sich um Haus und Kinder kümmert. Der Mann – Überraschung – hat Interesse an einer viel jüngeren Angestellten (auf Altersunterschiede gibt bei Tatsächlich... Liebe eh keine*r was) und kauft ihr zu Weihnachten eine hübsche Goldkette. Seine Frau entdeckt die Goldkette in seiner Jackentasche und denkt, sie bekommt seit tausend Jahren zum ersten Mal wieder etwas anderes als einen Schal von ihrem Ehemann geschenkt – Spoiler: Träum weiter. Am Weihnachtsabend packt sie also freudig ihr Geschenk aus und sieht, es ist… eine CD. Die Kette muss also für jemand anderen gewesen sein.Sie ist verständlicherweise komplett verletzt und enttäuscht, lässt sich das aber natürlich nicht anmerken, sondern weint kurz alleine im Schlafzimmer und kommt dann als Supermami, die sie nun mal ist, zurück zur Bescherung, als wäre nichts gewesen. Ein paar Tage später spricht sie ihren Mann dann doch noch ganz kurz darauf an, er entschuldigt sich halbherzig – hauptsächlich dafür, einen Narren aus sich selbst gemacht zu haben, wie er sagt. Weiter als diese 60 Sekunden wird über die ganze Sache nicht geredet und nachdem der Ehemann ein paar Tage weg war, kommt er zurück und alles scheint wieder ok zu sein. Traurig. Ich weiß beim besten Willen einfach nicht, wo der Film bei den Zuschauer*innen schöne oder weihnachtliche Gefühle auslösen soll?
Du kannst mit Weihnachten wirklich gar nichts anfangen? Vielleicht ist das Vogelmenschenfest etwas für dich. Was das genau ist, erklärt dir Kollegin Anna hier.
Der Schriftsteller und seine Haushaltshilfe
Es gibt außerdem einen Schriftsteller, der mit seinem Bruder von seiner Frau betrogen wurde. Nachdem er das herausgefunden hat, fährt er nach Frankreich, um in Ruhe an einem neuen Buch zu schreiben – auf einer Schreibmaschine, klar. Dort hat er eine portugiesische Haushaltshilfe, die beiden verstehen sich irgendwie ok, sprechen aber nicht dieselbe Sprache. Sie reist für Weihnachten zurück nach Hause und er reist ihr kurzerhand – nachdem er ein bisschen Portugiesisch gelernt hat – hinterher, um ihr einen Heiratsantrag zu machen. Sie und ihre Familie, die alle nur portugiesisch sprechen, leben übrigens nicht in Portugal, sondern in Frankreich, falls du dich das gefragt hast. Sie sagt ja und das ist dann auch der erste richtige Satz, den sie miteinander gesprochen haben. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.Kollege und Kollegin
Zwei Arbeitskolleg*innen kommen sich an der Betriebsweihnachtsfeier nach Jahren der unterdrückten Gefühle näher und finden sich beide toll. Weil sie sich allerdings aufopfernd um ihren psychisch kranken Bruder kümmert, ist das Kennenlernen nicht so leicht und verläuft im Sande. Awww, so romantic.Der Premierminister und seine Haushaltshilfe
Puh, noch so eine ganz schlimme Storyline, es nimmt einfach kein Ende: Der Premierminister von Großbritannien fühlt sich von seiner neuen Haushaltsangestellten angezogen. Weil er seinen Gefühlen aus dem Weg gehen will, lässt er sie kurzerhand irgendwohin anders versetzen. Komplett egal, dass sie sich gefreut hat, so einen krassen neuen Job gehabt zu haben.Na ja, ein paar Tage später, nachdem die Haushaltshilfe ihm in einem Brief geschrieben hat, dass sie im Herzen immer die Seine sein wird (obwohl sie sich kaum kennen, aber hey), klingelt sich der Premierminister einmal komplett durch die Nachbarschaft, gesteht ihr seine Gefühle und knutscht danach hinter der Bühne einer Krippen-Schulaufführung mit ihr. So wirklich viel geredet haben auch die vorher nicht, aber von Reden ist in diesem Film eigentlich niemand Fan – mit einer Ausnahme. Kommen wir zur einzig erträglichen Storyline:
Zwei Körperdoubles
Zwei Körperdoubles stellen am Set erotische Szene nach und – HALLELUJA – reden dabei miteinander und lernen sich kennen. Er holt sie zu einem Date ab und sie wirken beide glücklich verknallt. Geht doch.Wenn du in Weihnachtsstimmung kommen willst, aber dir die klassischen Weihnachtshits schon aus den Ohren raushängen, dann haben wir etwas für dich: Alternative Weihnachtssongs 2023.
Ein Rockstar und sein Manager
Ein alter Rockstar will mit einem umgedichteten Weihnachtssong (I fell it in my fingers, I feel it in my toes, Christmas is all around me and so the feeling grows), den er fünf Wochen vor Weihnachten im Studio aufnimmt (ist das nicht etwas knapp???), sein Comeback feiern. Sein Manager unterstützt ihn dabei. Ich weiß doch auch nicht, das ist wohl der klägliche Versuch, die Geschichte einer Männerfreundschaft zu erzählen.Stiefvater und Sohn
Außerdem gibt es einen Handlungsstrang um einen Vater und seinen Stiefsohn, die vor Kurzem Ehefrau beziehungsweise Mutter verloren haben. Der Sohn, ungefähr neun vielleicht, ich kann das schlecht schätzen, schließt sich viel in seinem Zimmer ein und ist traurig. Nach ein paar Tagen kommt heraus, das liegt gar nicht daran, dass seine Mama gestorben ist, sondern daran, dass er unglücklich in ein Mädchen von seiner Schule verliebt ist, die ihn gar nicht kennt.Ab dann geht es darum, wie er das Mädchen auf sich aufmerksam machen kann – die Lösung dafür: Schlagzeug lernen, nicht etwa mit ihr reden... Das wäre ja Wahnsinn. Der Tod der Mutter spielt übrigens im Verlauf des Films keine Rolle mehr, den Aufhänger hätte man sich also auch echt sparen können. Die Storyline hat ihr komplett bescheuertes Finale am Flughafen, wo der Sohn durch Sicherheitschecks rennt, um das Mädchen noch mal kurz zu sehen und das erste Mal mit ihr zu reden – ich glaube, er sagt hallo. Dann gibt sie ihm einen Kuss auf die Backe und steigt in den Flieger nach Amerika. Apropos Amerika:
Die Gaga-USA Storyline
Der schlimmste Handlungsstrang zum Schluss: ein junger Typ will in die USA reisen, um – wie er sagt – dort die wahre Liebe zu finden. O-Ton: Weil da coolere Frauen sind, die auch mal Spaß verstehen. Das Ziel, die wahre Liebe zu finden, verliert er in der ersten amerikanischen Bar aus dem Auge und die Szene, die sich dort abspielt, ist so gaga, dass ich den ganzen Film eigentlich dachte, es sei ein Traum und gleich kommt die Szene, in der das aufgeklärt wird. Die kam leider nie...Er lernt dort tatsächlich direkt vier Frauen kennen, die ihn bei sich übernachten lassen wollen – allerdings schlafen sie alle in einem Bett und das auch noch ohne Pyjama, oh oh 80er-Jahre Porno lässt grüßen. Am Ende reist er mit zwei Frauen zurück nach GB, eine hat er seinem besten Freund mitgebracht, damit auch er endlich mal wieder so richtig… lieben kann. Darum geht's ja in dem Film ganz offensichtlich, um Liebe und tiefe Verbundenheit und nicht etwa um körperliche Anziehung und Sex, oder? Oder?
Und da sind wir beim Problem
Wäre Tatsächlich... Liebe allgemein bekannt als trashiger Weihnachtsfilm, bei dem es um flüchtige Bekanntschaften geht, wäre ich nicht so enttäuscht und traurig gewesen. Aber ich dachte eben, dass ich DEN Weihnachtsliebesfilm überhaupt anschaue.Und bei all der Kritik an den Handlungssträngen habe ich noch nicht einmal damit angefangen zu kritisieren, dass Frauen in diesem Film im Großen und Ganzen entweder Mutter, Haushaltshilfe, Sexobjekt oder Opfer von Bodyshaming sind. Ach ja, und viel reden dürfen sie auch nicht, es geht ja schließlich um Männer, die irgendetwas tun, um am Ende eine Frau dafür zu bekommen. Und ja, klar, 2000er lassen grüßen, aber es ist ja nicht so, als wäre es nicht auch Anfang der 2000er schon möglich gewesen, schöne Weihnachtsfilme zu drehen. Liebe braucht keine Ferien zum Beispiel, tu dir einen Gefallen und schau lieber den an.
Am Ende frage ich mich: Where is the love?
Der einzige Grund, warum es Tatsächlich... Liebe meiner Meinung nach geschafft hat, zu einem absoluten Weihnachtsklassiker zu werden, ist der krasse Cast: Hugh Grant, Emma Thompson, Alan Rickman, Liam Neeson, Colin Firth, Keira Knightley, Martin Freeman, Rowan Atkinson,... Keine Ahnung, wie das bei diesem vermutlich ziemlich kurzen Drehbuch (es wird ja nicht viel geredet) zustande kam.Aber hey, wenn du anderer Meinung bist als ich und du Tatsächlich... Liebe jedes Jahr aufs Neue schaust, weil dir der Film so gut gefällt, kein Problem, das ist mir ehrlich gesagt völlig egal. Ich war nur frustriert und traurig einen Dezemberabend mit diesen herzlosen und wirren Storys verschwendet zu haben und will andere Menschen warnen, den gleichen Fehler zu machen. Eine Liste mit tollen Weihnachtsfilmtipps, findest du übrigens hier (und JAHA, da ist auch Tatsächlich... Liebe dabei, Geschmäcker sind eben verschieden).
▲ Zurück zum Anfang
Artikel teilen: